Antonia Zennaro: "Reeperbahn"

Antonia Zennaro, 20.02.2013 vhs-photogalerie Stuttgart

 

Ein erster Buchdummy zu Antonia Zennaros (geb. 1980) Arbeit „Reeperbahn“ war bei den Fotobuchtagen 2010 in Hamburg zu sehen, damals noch unter dem Titel „Down there“. Die Fotografin gewann damit den dritten Platz des damaligen getPublished Awards. Manchmal dauert es mit einer Veröffentlichung dann doch etwas länger. Jetzt ist im Prestel Verlag ihr Buch "Reeperbahn" erschienen. Und in der vhs-photogalerie in Stuttgart gibt es für kurze Zeit die Möglichkeit, eine ebenfalls sehr sehenswerte Ausstellung zu besuchen.

 

Ausstellung und Buch

 

Der Kurator der vhs-photogalerie Rüdiger Flöge hat ein paar der expliziteren Aufnahmen, die im Buch vertreten sind, aufgrund der Ausstellungsinstallation in einem offenen Treppenhaus, mit vielen Kindern als Besuchern, weggelassen. Aber wer deshalb im Buch sensationsheischende Aufnahmen mit viel nackter Haut erwartet, wird trotzdem enttäuscht werden.

 

 
Kurator Rüdiger Flöge   Eröffnungsredner Phillip Maußhardt

 

Antonia Zennaro nähert sich ihren Akteuren eher leise und unspektakulär. Vielleicht mit etwas melancholischem Blick auf Vergehendes. Nicht nur wegen der schiefgetretenen Treppen, abblätternden Tapeten und dem rissigem Putz, Umständen die zeigen, dass die meisten der abgebildeten Räumlichkeiten ihre besten Zeiten wohl hinter sich haben. Und das gilt in gewisser Weise auch für die Porträtierten. Obwohl man sich da so ganz sicher nicht sein kann, denn wer mag das Leben von Menschen in solcher Weise bewerten? Die Fotografien tun das jedenfalls nie.

Statt eines sexy Dekors, finden sich in den Porträts eher mal ein Pflegebett und Krücken. Und viele müde Blicke, vielleicht das vor allem. Das ist weniger eine Darstellung des aktuellen Geschäfts mit dem Sex, als ein Abgesang auf einen Mythos. Ein visuelles Gedicht auf die großen Träume, die sich dann meistens doch nicht erfüllt haben. Und ein Blick auf die kleinen, staunenswerten Details, die bei aller spürbaren Desillusionierung von erstaunlicher Würde erzählen. Antonia Zennaro ließ sich Zeit für Ihre Erkundungen im Milieu, verbrachte so manche Stunde im Gespräch und an den Theken der Kneipen, ehe sie mit ihrer Kamera zu Werke ging. Phillip Maußhardt schilderte das in seiner Rede zur Eröffnung der Ausstellung mit einigem Humor. Gezeigt wird jetzt eine Arbeit, die ohne einen großen Grad an gegenseitiger Vertrautheit nicht hätte entstehen können. Das Buch ist Barbara, einer der Porträtierten, gewidmet. Ihr Porträt, eingeschlafen auf der Couch im Wohnzimmer liegend, beschließt den Bildteil des Buches.

 

Rot und Schwarz

 

Rot und Schwarz sind die beherrschenden Farben der Bilder. Das macht bereits der Einband des Buches deutlich, dessen Rückseite, Rücken und eine Griffleiste auf der Vorderseite in rotes Leinen gebunden sind, während die fotografische Illustration auf der Vorderseite einen mit Lichtspots aus der Dunkelheit gemeißelten Tresen zeigt. Das gut gedruckte Buch gibt diese Farben sehr schön wieder. Aber die Prints der Ausstellung machen mit ihrer matten Seidigkeit der Oberfläche diese Farben, die vielen Grüntöne nicht zu vergessen, noch schöner erfahrbar. Und dies, obwohl die Beleuchtungsverhältnisse in der vhs-photogalerie ja alles andere als unproblematisch sind. Aber der Verzicht auf ein schützendes Glas über den Arbeiten wirkt hier Wunder. Man würde sich wünschen, den Fotografien in Ausstellungen öfter so nahe kommen zu können.

 

Einband

 

Das Buch enthält neben den Bildern im Tafelteil auch einen Anhang mit Thumbnails, der durch dazugehörige, kurze Erläuterungstexte ergänzt wird. Eine in diesem Fall sehr gelungene Lösung, welche es ermöglicht den Bildteil auch ohne ablenkenden Textanteil zu durchblättern, gleichwohl aber später interessante Zusatzinformationen zu den Bildern zu bekommen. Im Mittelteil des Buches sind außerdem auf cremefarbenem Papier literarische Texte von Kurt Tucholsky, Konrad Lorenz, Joska Pintschovius und Rocko Schamoni abgedruckt, welche die Arbeit Zennaros nicht auf bestimmte Beobachtungen einengen, sondern eher Gedankenräume für sie öffnen. Der Anhang enthält im Übrigen auch noch zwei kurze Texte von Anna Hunger und der Fotografin selbst, jeweils unter dem Titel „Was bleibt“.

Was bleibt? Eine wirklich gelungene fotografische Arbeit. Und ein zu Herzen gehender Einblick in eine untergehende Welt. Einen meiner Meinung nach kongenialen Eindruck von Antonia Zennaros Arbeit kann man auf der folgenden Website bekommen: http://www.emerge-mag.com/2011/07/down-there , auch wenn dort einige Bilder auftauchen, die es nicht ins Buch und die jetzige Ausstellung geschafft haben. Aber vielleicht ist die dort gezeigte Serie in ihrer Konzentration auf wenige, starke Bilder mindestens so eindrucksvoll.

 

 

 


 

 

 

Fakten:

 

Ausstellung:

 

„Antonia Zennaro: Reeperbahn“ in der vhs-photogalerie in Stuttgart vom 21.02.2013 bis zum 17.03.2013

Website der Fotografin:  www.antoniazennaro.com
 

 

Buch:

 

Antonia Zennaro: „Reeperbahn“, München, 2013

Prestel Verlag

ISBN: 978-3-7913-4829-2

120 Seiten, 60 Abbildungen (davon 6 in S/W), 25,5 cm x 25,5 cm

Auflage 2500 Exemplare