Das Auge des Gewissens

Autor(en): 
Edith Tudor Hart: "Das Auge des Gewissens", Berlin, 1986

 

Wer sich bei Wikipedia über Edith Tudor Hart geb. Suschitzky (1908–1973) informiert, erfährt vor allem etwas über ihre „Spying Activities“. Auch ihre fotografische Arbeit findet in ein paar Zeilen Erwähnung. Allzuviel ist dazu aber nicht zu erfahren, wie überhaupt ihr Werk bisher eher unbekannt geblieben ist. Das hier vorgestellte Buch ist eine der wenigen Möglichkeiten sich kompakt über diese Fotografin zu informieren.

 

Als Fotograf bekannter dürfte ihr jüngerer Bruder Wolf Suschitzky (geb. 1912) sein, der auch als Kameramann und Filmemacher ein beachtliches Œuvre vorzuweisen hat (vgl. www.wolfsuschitzkyphotos.com ). Von ihm stammt der einleitende Text zu dem hier vorgestellten Buch. Darin schildert er in sehr persönlicher Weise den Lebenslauf seiner Schwester. Während er auf ihre politischen Aktivitäten, die in ihrer Spionagearbeit für die UdSSR gipfelten, nur am Rande eingeht, räumt er ihrem fotografischen Werdegang mehr Platz ein. Auch stammen die meisten der für das Buch reproduzierten Abzüge aus Wolf Suschitzkys Dunkelkammer. Sein Anliegen den Arbeiten seiner Schwester zu mehr Öffentlichkeit zu verhelfen ist deutlich erkennbar.

 

rückwärtiges Cover des Buchs

 

Originale Veröffentlichungen

 

Wer sich auf die Suche nach originalen Veröffentlichungen der Fotografin macht, wird am ehesten in Presseartikeln fündig. Die gebürtige Wienerin Edith Tudor Hart arbeitete nach der Übersiedlung nach England im Jahr 1933 für einige Zeitschriften wie die „Picture Post“, „Design for Today“, „Lilliput“ oder den „News Chronicle“. Zuvor veröffentlichte sie In ihrer Wiener Zeit aber auch in deutschsprachigen Zeitschriften. Zu nennen sind hier beispielsweise die „Arbeiter Illustrierte Zeitung“, „Der Kuckuck“ und „Die Bühne“. Tudor Hart widmete sich darüber hinaus immer wieder der Studiofotografie. Ein paar wenige Beispiele für Arbeiten auf diesem Gebiet sind im Buch ebenfalls enthalten.

Im Wesentlichen werden dort aber sozialdokumentarische Fotografien gezeigt, mit dem eindeutigen Schwerpunkt auf den 1930er Jahren. Tudor Harts Arbeiten aus der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg sind nur spärlich vertreten. Das hat aber auch damit zu tun, dass sie die eigene Fotografie schließlich aufgab und sich der Sozialarbeit, der Assistenz bei anderen Fotografen und später dem Handel mit Antiquitäten widmete. Als Buchveröffentlichung seiner Schwester erwähnt Wolf Suschitzky den Band „Working-Class Wives“ von Margery Spring Rice, der 1939 im Pelican Verlag erschien und auf dem Cover eines der auch im vorliegenden Buch publizierten Fotografien verwendet. Um ein "Fotobuch" handelt es sich dabei allerdings nicht. Neben den über 200 Seiten Text gibt es nur einen kleinen achtseitigen Bildteil in der Mitte des Buchs, der 14 Bilder umfasst, von denen die Hälfte von Edith Tudor Hart stammt.

 

 

Die meisten der fotografischen Vorlagen für "Das Auge des Gewissens" stammen von 6 x 6 Negativen, die für die Abbildungen im Buch allerdings oftmals beschnitten wurden. In den meisten Fällen traf Wolf Suschitzky die Entscheidung über diese Bearbeitung. Einige wenige, in der einführenden editorischen Notiz einzeln aufgeführte Abbildungen basieren allerdings auch auf eigenhändigen Prints der Fotografin.

 

Soziales und politisches Engagement

 

Das soziale und politische Engagement von Edith Tudor Hart lässt sich auch in ihren Bildern erkennen. Aufnahmen von politischen Versammlungen und Demonstrationen sind da vertreten. Aber auch zahlreiche Bilder, welche die prekären Lebensverhältnisse von Arbeitern und ihren Familien zeigen. Viele Kinder finden sich in ihren Aufnahmen, vielleicht ein Reflex auf die erzieherische Tätigkeit, die sie zeitweilig ausübte.

Ein wirklich umfassendes Bild des fotografischen Werks von Edith Tudor Hart kann man sich auch nach Lektüre dieses Buchs nicht machen. Aber es finden sich eine ganze Menge Bausteine für eine Beschäftigung mit dieser Fotografin und viele interessante Bilder. Man darf gespannt sein, was im nächsten Jahr in der Scottish National Portrait Gallery (und bestimmt auch in einer begleitenden Publikation) zu sehen sein wird. Unter dem Titel „Edith Tudor Hart : In the Shadow of Tyranny“ ist dort eine große Retrospektive für das Frühjahr 2013 angekündigt.

Erschienen ist „Das Auge des Gewissens“ als Band 6 der Reihe „Das Foto-Taschenbuch“ im Dirk Nishen Verlag in Berlin. Weitere Bände dieser Reihe lassen sich aus den unten angefügten Bilddateien ersehen. Vor allem in den 1980er Jahren war dieser Verlag im Bereich Fotografie ziemlich aktiv. Am bekanntesten dürfte vielleicht das Buch „Waffenruhe“ von Michael Schmidt geworden sein, das es in den Kanon von Parr und Badger geschafft hat. Eine weitere populäre Reihe des Verlags war die Edition Photothek. Die ins Buch eingelegte und hier abgebildete Werbe-Postkarte listet ein paar der dort erschienenen Bände auf.

 

 

Übrigens gibt es unter dem Titel „The Eye of Conscience“ auch eine Ausgabe des Buchs in englischer Sprache, welches 1987 ebenfalls im Dirk Nishen Verlag als erster Band der Reihe „The Photo Pocket Book“ erschien.

 

 


 

 

Fakten:

 

 

Edith Tudor Hart: „Das Auge des Gewissens“, Berlin, 1986

Dirk Nishen Verlag in Kreuzberg

ISBN: 3-88940-606-8

126 Seiten, 117 S/W Abbildungen, 20 cm x 16,5 cm

Band 6 der Reihe „Das Foto-Taschenbuch“

 


 

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Katalog bei Hatje Cantz

 

Inzwischen ist der Katalog zur Ausstellung der National Galleries of Scotland und des Wien Museums auch in deutscher Sprache verfügbar. Er ist unter dem Titel "Edith Tudor Hart. Im Schatten der Diktatur" bei Hatje Cantz erschienen. Die ISBN lautet 978-3-7757-3566-7. Hier finden sie einen Link zur Seite des Verlags.