Maloche, Leben im Revier

Antrazit, Max von der Grün: "Maloche, Leben im Revier", Frankfurt, 1982

 

Der Klappentext dieses Buches erläutert folgendes: „Beim Studium der Fotografie an der Folkwangschule in Essen (bei Otto Steinert) lernten sie sich kennen: Marc Izikowitz, Wolfgang Staiger und Michael Wolf. Sie arbeiteten konkurrierend als freie Journalisten, bis sie 1981 die Fotogruppe Antrazit gründeten“. Damit wäre der Name, der neben Max von der Grün als Autor auf dem Cover aufgeführt ist, schon mal geklärt.

Sowohl der Text von Max von der Grün (1926 – 2005) als auch die Fotografien der drei in der Gruppe Antrazit zusammengeschlossenen Fotografen haben ihr ganz eigenes Gewicht. Der das Buch einleitende 12-seitige Text wird am Rand von elf kleinformatigen Abbildungen (4 cm x 3 cm) begleitet. Die 49 Bildtafeln des Buches auf den darauf folgenden Seiten werden von kurzen Auszügen des Texts, die jeweils als eine Art Bildkommentar dienen, unterlegt. So sind Text und Bilder zweifach miteinander verschränkt, behalten aber beide eine sehr eigenständige Position.

Eigene Erfahrungen als Bergarbeiter

Max von der Grüns Text merkt man die eigenen Erfahrungen an, die er im Milieu der Bergarbeiter, das er hier beschreibt, über lange Jahre sammelte. Er erzählt in Ich-Form aus der Sicht eines anderen, eines 80 Jahre alten Bergmanns im Ruhestand. Das ist zum einen ein Blick zurück auf die Geschichte des Reviers seit dem Ersten Weltkrieg. Wichtige geschichtliche Daten wie die Besetzung durch Frankreich, das Aufkommen der Nationalsozialisten, die Zerstörungen im Zweiten Weltkrieg, die Währungsreform und die beginnende Zuwanderung von damals so genannten „Gastarbeitern“ werden erwähnt. Aber wichtiger ist die Einbettung dieser Fakten in eine sehr persönlich geschilderte Abfolge von genauen Beobachtungen der Arbeitswelt, die ergänzt wird durch eine detailreiche, liebevolle Darstellung eines inzwischen nicht mehr existierenden Milieus: Die Zinkbadewanne im Keller und die Taubenzucht, familiäre Probleme mit dem Schichtbetrieb und Arbeitsunfälle, Alkohol und der Rückzug in den kleinen Garten, alles hat da seinen Platz. Und über allem steht die Beobachtung „Ich habe sie kommen und gehen sehen, die Menschen und die Zeit, und die Zeit wurde immer vom Menschen gemacht und nicht umgekehrt.“

Sozialdokumentarische Fotografien 

Es ist nicht ganz leicht für die Bilder, neben diesem starken Stück Prosa ihren Platz zu behaupten. Aber es gelingt ihnen dann doch ganz gut. In anderer Gewichtung und trotzdem mit einem Blick auf viele der vom Text geschilderten Einzelheiten. Auch hier gibt es einen stolzen Taubenzüchter. Er sitzt allerdings in einem Wohnzimmer der 1970er Jahre hinter einem Couchtisch mit zahlreichen Pokalen. Außerdem finden sich Blicke in Kneipen und eine Küche mit Badewanne, auf Kleintierzüchter und Schrebergärtner. Und natürlich auch Bilder aus der Arbeitswelt, die eher nicht das heroische Werk der Kumpel besingen, sondern relativ nüchtern einen harten Arbeitsalltag schildern. Das sind sozialdokumentarische Fotografien, wie sie in den 1970er Jahren durchaus häufiger zu finden waren. Und obwohl sie nicht den großen historischen Bogen schlagen, den der Text vorgibt, wird auch in ihnen ein Milieu lebendig, das bereits zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im Verschwinden begriffen war. Vielleicht so etwas wie ein Abgesang auf eine Welt, die heute, nach den vielen Umstrukturierungen des Ruhrgebiets, nicht mehr zu finden ist.

Max von der Grün bringt das auf den Punkt: „Dann bleibt nur noch der Friedhof, wohin man gehen kann.“ Die Bilder sind da wahrscheinlich eine Spur distanzierter und nüchterner, obwohl auch der Text durchaus von einer ganzen Menge Pragmatismus geprägt ist. Aber irgendwann macht sich doch bemerkbar, dass der Blick der Fotografen ein Blick von außen ist, während von der Grüns Text von eigener Betroffenheit erzählt.

Weitere Arbeiten der Fotografen

Michael Wolf (geb. 1954) ist inzwischen äußerst erfolgreich mit seinen Fotografien aus Südostasien. Viele Buchveröffentlichungen der letzten Jahre zeugen davon, erwähnt seien nur „Hong Kong Inside Outside“ und „Tokyo Compression“.  Die beiden anderen am Buch beteiligten Fotografen Marc Izikowitz (geb. 1948) und Wolfgang Staiger (geb. 1950) haben ihren Weg ebenfalls gemacht. Von beiden gibt es beispielsweise einen Beitrag zur Reihe Deutschlandbilder des Instituts für Auslandsbeziehungen in Stuttgart.

 

Deutschlandbilder 8 Stahl

(Wolfgang Staiger)

Deutschlandbilder 10 Musik

(Marc Izikowitz)

 

 


 

Fakten:

 

Antrazit, Max von der Grün: „Maloche, Leben im Revier“, Frankfurt, 1982

Eichborn Verlag

ISBN: 3-8218-1705-4

80 Seiten, 49 S/W Abbildungen, 28,5 cm x 24 cm