"Über die Fronten hinweg / Au-delá des fronts"

Ulrich Hägele: "Über die Fronten hinweg / Au-delá des fronts", Tübingen 2014

Hundert Jahre nach Beginn des Ersten Weltkriegs gibt es zur Zeit eine ganze Menge an Fernsehsendungen, Ausstellungen, Vorträgen und Büchern, welche dieses Ereignis aus allen möglichen Blickwinkeln beleuchten. Im Deutsch-Französischen Kulturinstitut in Tübingen ist jetzt eine Fotoausstellung zu sehen, die sich dem Thema widmet. Die meisten werden bei Bildern vom Ersten Weltkriegs zunächst nur an Schwarz-Weiß-Aufnahmen denken. Bei den gezeigten Fotografien handelt es sich aber um Abzüge von Autochromeplatten, die nach dem Verfahren der Gebrüder Lumière entstanden. Ein paar Details zum Verfahren finden sich im entsprechenden Artikel auf Wikipedia.

Bildpaare

Gehängt sind die Bilder in der Ausstellung immer in Paaren: ein Bild von Jules Gervais Courtellement zusammen mit einem Bild von Hans Hildenbrand. Diese hängen meist übereinander, selten auch mal nebeneinander. Beide Fotografen gehörten zu den relativ frühen Anwendern dieser Art von Farbfotografie, die im Gegensatz zum bis dahin üblichen Verfahren nicht in der Kolorierung von Schwarz-Weiß-Aufnahmen bestand, sondern echte Fardiapositive erzeugte. Aber auch sonst gibt es Gemeinsamkeiten zwischen diesen beiden Akteuren auf französischer und deutscher Seite der Front. Beide waren später für die National Geographic Society in Washington tätig und sind in deren Archiv mit zahlreichen Aufnahmen vertreten.

 

 

Eingeteilt hat Ulrich Hägele, der für die Ausstellung und die Texte verantwortliche Historiker, die Bilder in drei Gruppen: „Krieg in der Landschaft“, „Mensch und Truppe“ und „Zerstörungen“. Wobei auch letztere Aufnahmen die wahren Gräuel des Krieges nur bedingt wiedergeben. Zerstörungen an Gebäuden und Bäumen werden gezeigt, oftmals mit posierenden Soldaten im Vordergrund, aber Aktionen direkt an der Front und die Toten der Schlachtfelder und Schützengräben sind nicht zu sehen. Ein wenig hat diese Einschränkung der Sujets wohl auch mit dem Aufnahmematerial zu tun, das ziemlich langen Belichtungszeiten benötigte. Aktionsreiche Momentaufnahmen ließen sich so kaum herstellen, viele der abgebildeten Personen wirken statisch und wahrscheinlich haben sie wirklich oft ganz bewußt für den Fotografen „stillgestanden“. Andererseits sollten die durchaus zu Propagandazwecken entstandenen Fotografien, Hildenbrand war einer von 19 offiziell akkreditierten Bildberichterstattern an der Westfront, die unsäglicheren Momente des Krieges wahrscheinlich auch aussparen. Siegreiche Soldaten vor zerstörten Gebäuden des Gegners sind da geeigneter als die allzu grafische Darstellung der Grausamkeiten. So sind die Toten des Krieges meist nur in Form der allfälligen Kreuze auf Friedhöfen gegenwärtig. Oder wie Ulrich Hägele feststellt: "Gervais-Courtellements Kriegsfotografien wirken bisweilen seltsam entleert von jeglichen Lebenszeichen - ein gestalterisches Mittel, um den massenhaften Tod visuell zu transportieren."

Katalog

Mit 36 Aufnahmen ist die Ausstellung nicht sehr umfangreich. Der gleichzeitig erschienene, zweisprachige (Deutsch und Französisch) Katalog zeigt einige zusätzliche Bildpaare auf seinen Doppelseiten. Ulrich Hägele gibt in seiner siebenseitigen Einleitung einen kurzen Überblick über die Arbeit der beiden Fotografen und nimmt eine Einordnung der gezeigten Fotografien aus (medien)historischer Sicht vor. Ergänzt wird der Katalog mit Kurzbiografien der beiden Fotografen und ein paar wenigen Literaturhinweisen. Der als Laserkopie gedruckte und mit Klammern geheftete Katalog ist im Deutsch-Französischen Kulturinstitut für € 9,-- erhältlich.

 
 

 

Fakten:
 
Ausstellung „Über die Fronten hinweg / Au-delá des fronts“ im Deutsch-Französischen Kulturinstitut Tübingen vom 27.02.2014 bis zum 11.04.2014
 
Katalog:
 
Ulrich Hägele: „Über die Fronten hinweg / Au-delá des fronts. Farbfotografien von Jules Gervais Courtellement und Hans Hildenbrand 1914-1918“, Tübingen 2014
Deutsch-Französisches Kulturinstitut Tübingen e.V. / Institut Culturel Franco-Allemand Tübingen
ISBN: 978-3-00-045279-6
78 Seiten, 59 farbige Abbildungen, 21 cm x 14,5 cm, geheftete Broschüre als Laserkopie
zum Preis von € 9,-- erhältlich im Institut
 
Website mit Informationen zur Ausstellung und Öffnungszeiten