Moll 31

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Wiebke Loeper : Moll 31

Eine Frage, die beim Lesen eines Romans oft entsteht, ist die nach dem autobiografischen Hintergrund des Geschriebenen. Bei Fotobüchern ist das ab und zu ähnlich. Manchmal ahnt man die Verbindung der Bilder zur Biografie der Bildautoren nur. Und in anderen Fällen ist sie ganz offensichtlich.

Familienbilder

Wiebke Loeper spürt in ihrem Buch Moll 31 gewissermaßen ihrer eigenen Kindheit nach. Sie verwendet Familienbilder, die ihr Vater fotografiert hat. Familienbilder, die sich zumeist auf die ehemalige Wohnung in der Mollstr. 31 in Berlin beziehen. Aufgenommen vor dem Gebäude oder in der Wohnung selbst. Loeper kontrastiert diese mit Fotografien, die sie im ausgebeinten Wohnblock viele Jahre später selber aufnimmt. Dafür wählt sie zumeist einen ganz ähnlichen Bildausschnitt. Nur dass jetzt statt dem Kinderkopf in der Badewanne die Flecken des Klebers der herausgenommenen Kacheln zu sehen sind. Statt der gefüllten Regale und mit Bildern tapezierten Wände die kahlen Heizkörper und paletten- und kartonbedeckten Betonböden. Statt der Menschen um den Weihnachtsbaum ein leerer Winkel.

Es gibt ein Bild in diesem Buch, das sich nicht direkt auf das namensgebende Gebäude als Sujet bezieht. Das zeigt den Grabstein der Mutter der Fotografin. Und ist damit ein zusätzlicher Hinweis darauf, was den neuen Fotografien fehlt : die Menschen. Vielleicht könnte man Wiebke Loepers fotografisches Projekt unter Bezugnahme auf die alten Familienbilder auch als „Trauerarbeit“ bezeichnen. Man kann die sehr persönliche Auseinandersetzung spüren. Das bis in viele Details (z.B. den farblich auf die Fotografien abgestimmten Einband) wunderschön gestaltete, kleinformatige Buch ist aber deshalb kein für Aussenstehende undurchdringlicher Kosmos. Man mag die ein oder andere Bildfindung erst in einem Vortrag oder einem Gespräch mit der Fotografin wirklich nachvollziehen können. Emotionale Unberührtheit wird einem aber auch ohne dieses Wissen schwerfallen.

Ein in drei Sprachen (deutsch, englisch und französisch) abgedruckter Text von Annett Gröschner spürt auf einfühlsame Weise verschiedenen Ebenen dieser fotografischen Auseinandersetzung nach, gibt weitere Hintergrundinformationen. Aber es bleibt dabei: die Bilder dieses Buches stehen auch für sich allein. Man braucht diesen Text nicht, um sich von der Atmosphäre des Buches einfangen zu lassen.

Edition J.J.Heckenhauer

Ursprünglich erschien „Moll 31“ übrigens bereits 1995 als Künstlerbuch in der Edition LIANE. Hier aber ein kurzer Hinweis auf den Verlag, in dem dieses auf 750 nummerierte Exemplare limitierte Buch 2005 erschienen ist. Die Edition J.J.Heckenhauer ist vielleicht am bekanntesten für den Band „DL 07 : stereotypes of war, a photographic investigation“ von Jens Liebchen, der es in den Kanon von Parr und Badger geschafft hat. „Moll 31“ ist ein Hinweis darauf, dass es sich auch lohnt, die anderen dort erschienenen Bücher in den Blick zu nehmen. „Moll 31“ ist derzeit vergriffen, eine Neuauflage ist aber geplant. Eine Liste der derzeit verlagsfrisch lieferbaren Bücher der Edition J.J.Heckenhauer finden Sie hier

 


 

Fakten :

Wiebke Loeper : "Moll 31", Tübingen/Berlin, 2005

Edition J. J. Heckenhauer

ISBN : 3-9806079-8-4

80 Seiten, 36 farbige Abbildungen, 19,5 cm x 15 cm

Auflage 750 nummerierte Exemplare