Joanne Leonard: "Newspaper Diary"

Joanne Leonard, Tübingen 04.12.2013
Einige bemerkenswerte Neuerscheinungen dieses Jahres zeigen einen ganz eigenen Umgang mit Fotografien und Büchern. Gemeint sind Publikationen wie das bei Mack erschienene „Holy Bible“ von Oliver Chanarin und Adam Broomberg.  Aber auch einige der Unikate von Jim Reed könnte man hier nennen. Bücher und ihre Seiten bilden jeweils die Grundlage für die Collagierung mit „gefundenen“ Fotografien.
 

Bücher und Fotografien

Ganz ähnlich und doch wieder etwas anders geht die amerikanische Fotografin Joanne Leonard bei ihren nun unter dem Titel „Newspaper Diary“ im Deutsch-Amerikanischen-Institut (d.a.i.) in Tübingen ausgestellten Arbeiten vor. Für diese Bilder sammelt sie regelmäßig Ausschnitte aus Tageszeitungen. Sie schneidet dort Bilder samt ihrer Titel und der Zeile mit den Informationen zum Erscheinungstag der Zeitung aus und kombiniert sie mit aufgeschlagenen Buchseiten. So ergeben sich temporäre Collagen, die sie abfotografiert. Die so entstandenen Fotografien sind das, was jetzt im d.a.i. gerahmt an den Wänden hängt.
 
Cover des Katalogs
 
Beim Betrachten der Bilder wird schnell deutlich, dass der erste Impuls für die Kombination der Zeitungsausschnitte und Buchseiten im Normalfall ein grafischer Einfall ist. Die meisten davon sind wirklich überzeugend. Und es fällt zudem auf, dass Leonard die Positionierung der jeweiligen Bilder und Bücher sehr sorgfältig vornimmt, so dass die Effektivität der Kombination noch erhöht wird. Aber neben diesen optischen Parellelen (oder auch den entstehenden Kontrasten) bieten Leonards Collagen mehr: Bilder und Bücher korrespondieren auch auf einer inhaltlichen Ebene und geben damit Möglichkeiten zu weiterführenden Assoziationen. Dabei entsteht ein Freiraum für den Betrachter, auch wenn viele Interpretationen deutlich in den Bildern angelegt sind. Die Position von Frauen in der Gesellschaft ist eines der Themen, das sich durch viele der Arbeiten zieht. In ihrem sehr schönen Einführungsvortrag ging Dagmar Waizenegger vom Fachbereich Kultur der Stadt Tübingen auf einige der von Joanne Leonard in den Bildern angesprochenen Themenkomplexe ein. Und es gelang ihr dabei gut, lebendig an den Bildern entlang zu argumentieren ohne langweilige Beschreibungen abzuliefern.
 

Quellenstudium

Weitere Informationen zu den Arbeiten Joanne Leonards finden sich auf ihrer Webseite. Dort erfährt man auch, warum sie als Baby von Marlene Dietrich auf den Arm genommen wurde. Zu den Arbeiten gibt es einen kleinen Katalog, der bereits anlässlich einer früheren Ausstellung im Jahr 2012 erschienen ist. Die dort abgebildeten Collagen sind im Anhang mit genauen Erläuterungen versehen, welche Bilder und Bücher für die jeweilige Arbeit verwendet wurden. Das gilt auch für die Ausstellung im d.a.i., die dem Interessierten ebenfalls das „Quellenstudium“ erlaubt. 
 
 

 

Fakten:
 
Ausstellung „Newspaper Diary. Fotografien von Joanne Leonard“ im d.a.i. in Tübingen vom 05.12.2013 bis zum 14.03.2014 (geschlossen vom 21.12.2013 bis zum 06.01.2014)
 
Website des d.a.i. mit Informationen zur Ausstellung 
 
 
 
 
 
Katalog:
 
Joanne Leonard: „Newspaper Diary“, 2012
Regents of the University of Michigan
ohne ISBN
20 Seiten, 10 ganzseitige Abbildungen (+ 7 weitere Abbildungen auf den Umschlaginnenseiten und im Text), 19 cm x 25 cm, geheftet