Erwin Blumenfeld: Photographies, Dessins et Photomontages

Erwin Blumenfeld: Photographies, Dessins et Photomontages, Paris 2013
 

Eigentlich habe ich mit Modefotografien nicht so viel am Hut. Aber es gibt Ausnahmen. Und es gibt Fotografen, die für Ihre Arbeit im Auftrag von Vogue oder Harper's Bazaar bekannt sind, aber trotzdem mehr zu bieten haben. Im Falle von Erwin Blumenfeld (1897-1967) ist das eine ganze Menge. Aufmerksam bin ich auf ihn geworden, als mir vor Jahren eher zufällig seine Autobiographie in die Hände fiel und kurz danach die große Retrospektive im Kunsthaus in Zürich zu Ehren seines 100. Geburtstags stattfand. 

Spielerischer Umgang mit dem Material

Spielerischer Umgang mit dem fotografischen Material ist für Blumenfeld in vielerlei Hinsicht typisch. Vielleicht hat das ja auch ein bisschen mit seinen dadaistischen Anfängen zu tun. Auch von diesen Collagen, Zeichungen und Fotomontagen ist in einem Raum der Ausstellung etwas zu sehen. Solarisationen, Negativdrucke, Mehrfachbelichtungen und sonstige Laborbearbeitungen gehören zum regelmäßig genutzten  Instrumentarium des Fotografen. Aber auch Arbeiten mit verzerrenden Spiegeln oder besonders kontrastreichen Filmmaterialien finden sich unter den Bildern. Manches davon wird einem von Blumenfeld mit einem Augenzwinkern serviert, wie zum Beispiel die Aufnahme des nackten Fotografen unter Beobachtung seiner Modelle. Dieses Bild gehört zu dem ganz eigenen Kosmos von Selbstporträts, die sich durch eigentlich alle Schaffensphasen des Fotografen ziehen und denen in der Ausstellung eine eigene Abteilung gewidmet ist. 

Cecil Beaton 1946

Erwin Blumenfeld

Épreuve gélatino-argentique, tirage d’époque.
Collection particulière, Suisse.
© The Estate of Erwin Blumenfeld

Gallige Hitlerporträts

Aber die spielerische Anmutung seiner Fotografien sollte nicht über die Ernsthaftigkeit vieler seiner Arbeiten hinwegtäuschen. Da gibt es immer wieder Momente, die auf eine existentielle Infragestellung hinauslaufen. Am konsequentesten vielleicht die Abrechnung mit seiner Mutter in seiner Autobiographie "Durch tausendjährige Zeit", wobei offen bleibt, inwiefern alles dort Geschriebene der Realität entspricht. In der Ausstellung stehen die galligen Hitler- bzw. Diktatorenporträts für diese geradezu bittere Seite Blumenfelds.

"Meine 100 besten Fotos"

Neben der großen Wandfläche mit den biografischen Angaben zum Werdegang des Fotografen kann man ein paar private Super 8 Aufnahmen aus Familienbesitz bestaunen, die Blumenfeld u.a. mit seinen Enkeln zeigen. In diesem Teil der Ausstellung lässt sich auf zwei Tablets auch die Maquette für Blumenfelds Buch „Meine 100 besten Fotos“ als digitale Datei durchblättern. Erschienen ist das Buch, das auf der persönlichen Auswahl Blumenfelds beruht, erst nach dessen Tod. Es sind mir noch nicht viele Publikationen begegnet, die so konsequent auf die Betrachtung der Doppelseiten ausgelegt sind. Insofern müsste man fast sagen, es handelt sich nicht um die 100 besten Einzelfotos sondern um die schönsten 50 Bildpaare seiner Karriere. Das auf Deutsch ursprünglich im Schweizer Benteli Verlag erschienene Buch gibt es seit diesem Jahr in einer limitierten Neuausgabe, erschienen bei White Note. Im Gegensatz zur Publikation von 1979, die einige Texte von Hendel Teicher und zusätzliche Abbildungen zum Gesamtwerk Blumenfelds enthält, ist die Neuausgabe puristisch fast ganz auf die Wiedergabe der Bildpaare beschränkt. Einzig ein Vorwort von Henry Blumenfeld ist dem Buch beigefügt. Ausserdem finden sich im Anhang Thumbnails der Abbildungen mit den Bildtiteln. Aber auch bei der Darstellung der 100 Fotografien gibt es einen Unterschied zwischen den beiden Publikationen. Während die neue Ausgabe auf die randlose Wiedergabe der Bilder setzt, sind diese in der Ausgabe des Benteli Verlags mit einer dicken schwarzen Umrandung versehen.

Autobiographie

Die Ausstellung im Jeu de Paume war zumindest während der Woche von Paris Photo recht gut besucht. Aber es gab immer wieder die Möglichkeit in ruhigeren Momenten in zuvor überfüllte Räume zurückzukehren, wenn die geführten Besuchergruppen von dort wieder weitergezogen waren. Eigentlich passend, dass diese umfassende Ausstellung zum Werk Blumenfelds jetzt in Paris zu sehen ist, der Stadt, in der sein Erfolg als Fotograf so richtig begann. Neben den vielen Zeugnissen seines Schaffens an den Wänden, sind dort auch immer wieder Zitate Blumenfelds in großer Schrift angebracht. Dass er auch mit Worten umgehen konnte, beweist seine schon kurz angesprochene Autobiographie, die in den verschiedenen Sprachen unter ganz unterschiedlichen Titeln erschienen ist, nämlich als "Jadis et Daguerre", "Eye to I", "Spiegelbeeld", "Durch tausendjährige Zeit" oder "Einbildungsroman". Ute Eskildsen charakterisiert dieses „einzige literarische Werk des Fotografen“ im Katalog folgendermaßen: „Avec éloquence, humour et parfois aussi un peu de méchanceté, il y met en scène sa famille, ses amis et ses clients, en les caricaturant pour le plus grand plaisir du lecteur.“

 
 

 

Fakten: 
 
 
Ausstellung „Erwin Blumenfeld: Photographies, Dessins et Photomontages“ vom 15.10.2013 bis 26.01.2014 im Jeu de Paume in Paris
 
Website des Jeu de Paume zur Ausstellung
 
 
Katalog:
 
Ute Eskildsen (Hrsg.): „Erwin Blumenfeld. Photographies, Dessins et Photomontages“, Paris 2013
Hazan / Jeu de Paume
ISBN:
256 Seiten, 200 Abbildungen in Farbe und Schwarz-Weiß, 27,5 cm x 21,5 cm
 
enthält Texte von Ute Eskildsen, Helen Adkins, Janos Frecot, Wolfgang Brückle,
Esther Ruelfs, François Cheval et Nadia Blumenfeld Charbit
 
erschienen zugleich in französisch- und englischsprachigen Ausgaben
 
 
 
Bücher:
 
Erwin Blumenfeld: „Meine 100 besten Fotos“, Bern 1979
Benteli Verlag
ISBN: 3-7165-0308-8
140 Seiten, schwarz-weiße Abbildungen, 30 cm x 24,5 cm, Hardcover mit SU
 
 
 
Erwin Blumenfeld: „My 100 Best Photos“, o.O. 2013
White Note
ISBN: „en cours d'enregistrement“
112 Seiten, schwarz-weiße Abbildungen, 30,5 cm x 24,5 cm, Leineneinband mit Prägung
Auflage von 800 Exemplaren
 
 
 
Erwin Blumenfeld: „Durch tausendjährige Zeit“, Frauenfeld 1976
Huber
ISBN: 3-7193-0529-5
428 Seiten, 20,5 cm x 13,5 cm, Hardcover mit SU