Bifröst

Espen Ramberg Krukhaug: "Bifröst", o.O. 2011

 

Seitdem ich als eines meiner ersten Fotobücher überhaupt Nelly Rau-Härings „Lichtungen“ geschenkt bekam (vgl. meinen kurzen Text), habe ich ein gewisses Faible für Fotografien der Nacht. Und so hat mich auch das Buch „Bifröst“ von Espen Ramberg Krukhaug, als ich es Anfang des Jahres beim Stand von Einer-Books auf dem Düsseldorfer Book Salon entdeckt habe, sogleich magisch angezogen.

Insomnia

In seinem kurzen Einleitungstext beschreibt der Fotograf seine Erfahrungen mit der Schlaflosigkeit folgendermaßen:  „i can imagine a good night's sleep, but it always seems just out of reach, as if i'm walking across an endless bridge, never reaching the other side.“ Vielleicht bezieht sich ja auch der Titel des Buches auf dieses Gefühl, da Bifröst einen brennenden Regenbogen aus der nordischen Mythologie bezeichnet, der die Erde mit dem Reich der Götter verbindet. Da ist es ebenfalls nicht so einfach, das Ziel auf der gegenüberliegenden Seite zu erreichen. Aber bestimmt ist es nicht die schlechteste Idee, die schlaflosen Nächte dann fotografierenderweise zu verbringen. Vielleicht ist das mit der Schlaflosigkeit ja ein in Norwegen weit verbreitetes Phänomen. Erinnert sei an den Film „Todesschlaf“ (1997) von Erik Skjoldbjærg, der 2002 von Hollywood unter dem Titel „Insomnia“ mit Al Pacino in der Hauptrolle neu verfilmt wurde.

In Krukhaugs Fotobuch geht es allerdings viel weniger spektakulär zu als in diesen Krimis. Auch wenn Daniel W. Coburn dem Fotografen in seiner eigentlich positiven Kritik auf den Seiten von photo-eye ein spekulatives Element vorwirft. Die Hereinnahme der Aufnahmen von ebenfalls unter Schlaflosigkeit leidenden Models lenkt nach Ansicht Coburns zugunsten besserer Vermarktbarkeit von der eigentlichen Stärke der Bildserie ab, die ansonsten aus nächtlichen, meist urbanen Landschaften und künstlich beleuchteten Innenräumen besteht. Abgesehen davon, dass ich mich bei den abgebildeten Models eher nicht an „heroin chic“ erinnert fühle, kann ich das Argument Coburns zwar nachvollziehen, sehe das aber trotzdem ein bisschen anders. Vielleicht hat das ja mit der durch das Buch ausgelösten Erinnerung an die einzige mir bekannte Form von Schlaflosigkeit zu tun, wenn ich einen neben mir liegenden Menschen eine ganze Nacht betrachte.

"Before Dawn"

Wer Espen Krukhaugs bereits 2008 erschienenes Buch Before Dawn kennt, wird viele der Bildstrategien, die der Fotograf in Bifröst verwendet, wiedererkennen. Vieles an den nächtlichen Landschaften, auf die sich Before Dawn beschränkt, ist aber in Bifröst noch ein bisschen konsequenter gestaltet: die oftmals schmalen, horizontalen Schärfelinien, welche quasi eine Barriere vor den verschwimmenden Lichtquellen im Hintergrund bilden; die hohen Horizonte mit ihrer Betonung des Bodens im Vordergrund; das großflächige, matte Schwarz in den Bildern. Während in Before Dawn die randlosen Bilder auf der gegenüberliegenden Seite ebenfalls mit diesem matten Schwarz konfrontiert sind und die weiße Schrift dort, die über den Ort der Aufnahme und das Jahr berichtet, die einzigen kontrastierenden Lichtpunkte außerhalb der Bilder selbst bildet, sind in Bifröst alle Bilder von einem weißen Rand umgeben und auch die Vorsatzblätter sind weiß bzw. teilweise hellgelb. Daher empfinde ich die Darstellung der Nacht in Bifröst als noch unwirklicher, gerade da die Bilder von dieser dauernden Helligkeit umspült werden.

Schweben zwischen Realität und Traum

Das matte Papier des Buches gibt die Schwärzen oft eher trüb wieder. Das ist weit von Hochglanzkontrasten entfernt, wie sie bei heutiger HDR-Fotografie für Nachtaufnahmen oft erzeugt werden. Manches sieht sich an, wie durch einen etwas milchigen Schleier betrachtet. Vielleicht ist das ja ein Hinweis auf die Unmöglichkeit die Dinge genau zu fixieren, das Schweben zwischen Realität und Traum, die Unmöglichkeit beides voneinander zu unterscheiden Davon spricht Krukhaug in seinem kurzen Text ebenfalls: „“The places i go, the things i see, and the people i meet...i am never sure if they are real.“ Und so verliert sich der Fokus in manchen Bildern auch total, es bleiben unscharfe, entfernte Lichtfragmente und ineinanderlaufende Farbflächen. Oder das Bild fixiert abschnittsweise ein zerknäultes Kissen oder die zerwühlte Decke, gerade so, als ob man als Betrachter im Bett liegt und im Halbschlaf die sich vor den Augen türmenden Faltengebirge wahrnimmt. Insofern lassen sich einige der Innenaufnahmen auch als Gegenschüsse zu den Porträts der nicht-schlafenden Models interpretieren, deren Blick so oft ins Vage zu gleiten scheint.

Doppelseite aus Bifröst

 

Manchmal erscheint durch ein helles Licht aber auch alles in fast schmerzlicher Klarheit. Wobei nicht ganz offensichtlich ist, ob das nun das Licht des Vollmonds, den ja viele für schlaflose Momente verantwortlich machen, oder von künstlichen Lichtquellen ist. Und eines dieser hellen Bilder mit dem Model mit den roten Lippen zeigt dann vielleicht doch einen Moment des Schlafs. Diese Aufnahme wird auf dem rückwärtigen Einband nochmals abgebildet. Könnte sein, dass wir uns jetzt doch noch im ersehnten Reich der Träume in Phasen tiefen Schlafs befinden.

rückwärtiges Cover von Bifröst

 

Für das Design des Buches sorgte der Fotograf selber gemeinsam mit Ronny Søberg, mit dem er auch schon für sein Buch Before Dawn zusammenarbeitete. Und es ist nicht ganz irreführend, aus dem Vorwort von Philip Chevron (The Pogues) für dieses frühere Buch Krukhaugs auch im Zusammenhang mit Bifröst zu zitieren. Außerdem bietet es sich durchaus an, die Before Dawn beigelegte CD mit Musik der Gruppe Orangedark in einen CD-Player oder den PC einzulegen, wenn man sich Bifröst betrachtet. Ich habe das jedenfalls so gemacht. Hier aber das versprochene Zitat Chevrons: „Something about this environment explains our isolation to us, gives substance to our alienation and offers map references to our dislocation.“.  Wahrscheinlich hätte das jetzt auch ein Kunsthistoriker nicht besser schildern können als dieser Folk-Punkmusiker.

 


 

Fakten:

Espen Ramberg Krukhaug: „Bifröst“, o.O., 2011
Einer-Books
ISBN: 978-82-997882-1-2
104 Seiten, 81 Abbildungen in Farbe, 30,5 cm x 30,5 cm
Auflage von 600 von Hand nummerierten Exemplaren

 

Video des Buches auf Youtube

Website von Espen Ramberg Krukhaug

 

Espen R. Krukhaug: „Before Dawn“, o.O., 2008
Eigenverlag
ISBN: 978-82-997882-0-5
80 Seiten, 33 Abbildungen in Farbe, 19,5 cm x 29 cm
beigelegt ist eine CD mit Musik von Orangedark
Auflage von 1000 von Hand nummerierten Exemplaren

 

Musik von Orangedark finden Sie auf dem fast schon vergessenen Myspace, das "Googeln" des Gruppennamens kann zu Überraschungen führen

 


 

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Bei Calin Kruse im Shop von "dienacht" lässt sich eine andere Publikation zum Thema finden. Ein Zine der vier FotografInnen Christian Conrad, Lars Kiss, Susann Probst und Yannic Schon. Unter diesem Link finden Sie ein paar Bilder und weitere Informationen. Empfehlenswert!

Espen Ramberg Krukhaug
Espen R. Krukhaug