Robert Mack / Grace Zaccardi: "nicht zurechnungsfähig"

Robert Mack, Grace Zaccardi: "Nicht zurechnungsfähig. Not Guilty by Reason of Insanity", Mannheim 2013

Der Kurator Thomas Schirmböck eröffnet die Ausstellung "nicht zurechnungsfähig - not guilty by reason of insanity"  freundlich und lässig. Gleichzeitig versteht er es, das Interesse für die präsentierten Fotografien zu wecken, so dass man die steigende Spannug wahrlich in sich spürt. Als er zum Schluss seiner Einführungsrede die beiden Hauptgäste, die die Ausstellung möglich gemacht haben, vorstellt und sich bei ihnen bedankt, kann man es kaum erwarten, ihre fotografischen Arbeiten zu sehen.

Es sind 120 Schwarz-Weiß-Fotografien, die die beiden Künstler Robert Mack und Grace Zaccardi sorgfältig ausgesucht haben. Da am Ort der Aufnahmen unterschiedliche Lichtbedingungen herrschten - Neonlicht und natürliches Licht - einigten sich die Fotografen ihre Aufnahmen in Schwarz-Weiß zu machen. Die Fotografien zeigen psychisch kranke Straftäter, die im Jahr 1981 in einem Hochsicherheitskrankenhaus in Maryland als Patienten zur Behandlung untergebracht waren. Damals bereitete sich Robert Mack auf ein dokumentarisches Filmprojekt vor und die Fotos sollten lediglich der Dokumentation dienen. Doch die Arbeit entwickelte sich schließlich zu einem eigenständigen Fotoprojekt, in dem die beiden Künstler einige tiefgreifende, erstaunliche, bewegende, bereichernde, erschütternde und zum Nachdenken anregende Erfahrungen gemacht haben. Zum ersten Mal sind psychisch kranke Menschen, Patienten eines Hochsicherheitskrankenhauses, in ihrem unmittelbaren Lebensraum von Künstlern fotografiert worden. Es ist zu bedenken, dass in den USA Themen bezüglich psychiatrischer Heilanstalten lange Zeit schwierig und unzugänglich gewesen sind.

Robert Mack erinnert sich, wie ihm aufgefallen war, dass sich die Männer in diesem Hochsicherheitskrankenhaus von denen, die er in Gefängnissen erlebt hat, unterschieden. In ihrer Art bemerkte er eine Verletzbarkeit, Sensibilität, die sie oft fast kindlich erscheinen ließ. Es gab Momente, in denen sie wie kleine Jungen, gefangen im Körper eines erwachsenen Mannes, wirkten.

 

Ohne Titel  Robert Mack, 1981  © Robert Mack

 

Doch im darauffolgenden Moment stellte er eine innere Abwehrhaltung in sich fest, da er es hier mit Menschen zu tun hatte, die furchtbare, für ihn unvorstellbare, Taten begangen haben. Grace Zaccardi fügt hinzu, dass die Gleichzeitigkeit der unterschiedlichen Gefühle, wie der Angst und folglich extremer Vorsicht bei Interaktionen mit den Straftätern und später aber das Staunen über deren Vertrauen und Freude an der Zusammenarbeit mit den beiden Fotografen, sie enorm motivierten das Fotoprojekt fortzuführen.

Das Thema der Ausstellung, "nicht zurechnungsfähige Menschen", das heißt, "Personen, die von den Gerichten wegen psychischer Krankheiten bei Begehung ihrer Straftaten für schuldunfähig befunden und als gefährlich für sich selbst oder andere eingeschätzt worden sind" mag Angst hervorrufen (Robert Mack). "Die Bilder jedoch bewegen uns in iher Mitmenschlichkeit. Aus diesen beiden widerstrebenden Empfindungen Angst und Mitgefühl entsteht ein elektrisierendes Spannungsfeld zwischen Bild und Betrachter. Das ist Teil der besonderen Wirkung der Bilder Macks und Zaccardis" (Thomas Schirmböck). Wichtig für die Fotokünstler war in ihren Bildern zuallererst den Menschen hinter der Krankheit zu zeigen, den Menschen als eine zu würdigende Person, als ein zu respektierendes Individuum, ungeachtet seiner Taten.

 

Ohne Titel Robert Mack, 1981 © Robert Mack

 

Beim Betrachten der Fotografien stellt man sich Fragen wie: Kann man auf Bildern erkennen, ob es sich um Straftäter handelt?  Wären Wesenszüge von psychischen Krankheiten, die einen Menschen zum Straftäter machen, auf einem Foto zu erkennen? Wodurch unterscheiden sich diese Männer von uns? Inwiefern gleichen sie uns?  Ist "das Böse" in ihnen auf Fotoaufnahmen erkennbar? Was alles muß geschehen sein, daß diese Menschen zu Straftätern wurden?

Nimmt man sich für die Ausstellung etwas Zeit, tritt als Betrachter in Dialog mit den Bildern, so entfalten sie ihre Kraft in unserer Vorstellung, in unseren Gedanken. Sie lassen uns nicht unberührt, sondern wirken in der Intensität ihrer Aussage nach und werfen viele weitere Fragen zu diesem Thema auf.

Izabela Koth

 

Ohne Titel  Grace Zaccardi, 1981 © Grace Zaccardi

 


 

Fakten:

 

Ausstellung "nicht zurechnungsfähig. not guilty by reason of Insanity" mit Fotografien von Robert Mack und Grace Zaccardi im Zephyr / Raum für Fotografie in den Reiss-Engelhorn-Museen in Mannheim vom 16.06. bis zum 25.08.2013

Videopodcast zur Ausstellung  mit einem Gespräch mit Kurator Thomas Schirmböck

 

Katalog:

 

Robert Mack, Grace Zaccardi: "Nicht zurechnungsfähig. Not Guilty by Reason of Insanity", Mannheim 2013

Blurb

ohne ISBN

104 Seiten, 72 ganzseitige S/W-Abbildungen, 20,5 cm x 24 cm

Preis in der Ausstellung: € 36,--

 

 

Handbuch zur Ausstellung (kostenlos für Besucher) mit Texten von Isabel Koch, Robert Mack, Thomas Schirmböck und Grace Zaccardi

18 Seiten, 6 Abbildungen, 21 cm x 15 cm