The First 100 Days of the Kennedy Administration

Autor(en): 
Cornell Capa: The First 100 Days of the Kennedy Administration, New York, 1961

 

Den meisten Lesern werden einige der diversen Buchproduktionen der legendären Fotografen-Agentur Magnum geläufig sein. Ein bereits 1961 erschienenes Beispiel für ein solches Buch möchte ich heute vorstellen. Es handelt sich um eine Zusammenstellung von Reportagen und Analysen zu den ersten 100 Tagen der Regierung John F. Kennedys. Und ein bisschen von der Aufbruchstimmung, die damals wohl geherrscht haben muss, ist auch auf den Seiten dieses Buchs zu finden.

Russell Miller beschreibt in seinem Buch „Magnum. Fifty Years at the Front Line of History“ in einem kurzen Abschnitt auch die Entstehung des hier vorgestellten Buchs: „In the week that President Kennedy took office, in January 1961, nine Magnum photographers, led by Cornell Capa, mobilised to produce an `instant book´ on the first 100 days of the Kennedy administration. ... The book was Cornell Capa's suggestion and the idea was to illustrate the most important elements of the inaugural address.“

 

Russell Miller: "Magnum. Fifty Years at the Front Line of History"

 

Cornell Capa als Photographic Editor

 

Cornell Capa firmierte nicht nur als „photographic editor“, sondern steuert auch das erste Kapitel mit der Beobachtung der Etablierung der neuen Regierung in Washington und im Weißen Haus bei. Das nächste Kapitel widmet sich den internationalen Beziehungen am Beispiel der Arbeit in den Vereinten Nationen und ist illustriert mit Aufnahmen von Inge Morath. Aber bereits im dritten Kapitel erweitert sich das Themenspektrum über die Beobachtung des ganz konkreten Regierungshandelns innerhalb der USA. Marc Riboud schildert in Wort und Bild eine Hungersnot in Afrika, natürlich mit Blick auf die humanitären Hilfsleistungen der USA. Passend zu diesem Kapitel schildert im folgenden Abschnitt Constantine Manos, der übrigens zum Zeitpunkt der Publikation (ebenso wie Nicolas Tikhomiroff) noch kein Vollmitglied bei Magnum war, die Segnungen einer durch CARE finanzierten und installierten Wasserpumpe in Ecuador.

Mit sechs Seiten kommt ein Beitrag Nicolas Tikhomiroffs zum Krieg in Laos in Hinblick auf die spätere Entwicklung in Südostasien vielleicht etwas zu kurz. Wesentlich ausführlicher kommt auf 22 Seiten (mit 18 Aufnahmen Henri Cartier-Bressons) ein Bericht Wallace Westfeldts unter dem Titel „Civil Rights: The strangest Revolt“ daher. Vielleicht ist das so etwas wie das Herzstück der Publikation. Und für manche Beobachter auch heute noch das entscheidende Politikfeld, wenn an die Kennedy Jahre erinnert wird.

Die nächsten drei Kapitel widmen sich der wirtschaftlichen Situation in den USA selbst. Vielleicht ein bisschen überraschend steuert der eher für humorvolle Detailbeobachtungen bekannte Elliot Erwitt hier ein Kapitel unter dem Titel „Detroit: depressed area“ bei. Schlangen von Arbeitslosen und ein riesiger Abstellplatz unverkaufter Autos sind da zu sehen. Der Niedergang Detroits ist ja bis heute ein fotografisch gerne dokumentierter Vorgang und als „ruin porn“ nicht unumstritten. Eine ähnlich depressive Stimmung schildert Constantine Manos in seinem zweiten Beitrag für diesen Band. Diesmal geht es um die Schließung von Kohlezechen in West Virginia. Und Arbeitslosigkeit spielt auch in Burt Glinns Fotografien eine entscheidende Rolle, die einen Übersichtsartikel von Ira Wolfert zur Situation der us-amerikanischen Wirtschaft begleiten.

 

Titelblatt des hier vorgestellten Buchs

 

Anschließend folgt ein Überblicksartikel von Sidney Hyman und Martin Agronsky, der mit Fotografien von Dennis Stock illustriert ist. Neben Aufnahmen zum Peace Corps und den Native Americans finden sich auf einer Doppelseite auch Porträts von Mitgliedern der Administration und Beratern Kennedys.

 

Gemischtwarenladen

 

Wenn das jetzt in der kurzen Übersicht über die einzelnen Kapitel wie ein ziemlicher Gemischtwarenladen wirkt, dann ist dieser Eindruck vom Buch nicht ganz verkehrt. Vielleicht liegt das auch daran, dass die einzelnen Kapitel weitgehend unabhängig voneinander entstanden. Russel Miller schreibt: „each chapter was to go to press separately...“ Auch die Gestaltung des Layouts zeigt kein einheitliches Bild. Textbeiträge mit eingestreuten, sehr kleinformatigen Abbildungen wechseln sich ab mit randlos gedruckten Doppelseiten oder allen möglichen anderen Formaten. Fürs Design und die Produktion wird übrigens Helen Barrow als Verantwortliche genannt. Nachträglich eingeschoben wirkt ein Artikel von Barbara Ward zu Vorgängen in Kuba, welche die Produktion des Buches wohl auch ein bisschen durcheinander brachten. Russel Miller: „Everything went smoothly until, on the ninety-seventh day, armed Cuban exiles staged an invasion at the Bay of  Pigs, throwing the production of the book into disarray.“

Auf zwei Seiten werden die FotografInnen und TextautorInnen mit jeweils einem Bild und kurzem Text vorgestellt, ehe das Buch mit dem Abdruck der Antrittsrede Kennedys endet. Da lassen sich dann auch die inzwischen legendären und vielzitierten Worte Kennedys finden: „... ask not what your country can do for you – ask what you can do for your country.“

 

 


 

 

Fakten:

 

Cornell Capa (Photographic Editor): „The First 100 Days of the Kennedy Administration“, New York, 1961

Simon and Schuster

144 Seiten, 131 S/W Abbildungen (+14 Porträts der Autoren und Fotografen), 27,5 cm x 20,5 cm

 

TextautorInnen: Martin Agronsky, Eric F. Goldman, Sidney Hyman, Barbara Ward, Wallace Westfeldt jr. und Ira Wolfert

FotografInnen: Cornell Capa, Henri Cartier-Bresson, Elliot Erwitt, Burt Glinn, Constantine Manos (auch Text), Inge Morath, Marc Riboud (auch Text), Dennis Stock und Nicolas Tikhomiroff

 

 

Russell Miller: „Magnum. Fifty Years at the Front Line of History“, London, 1999

Pimlico

ISBN: 0-7126-6586-2

324 Seiten (Tafelteil mit 8 ungezählten Seiten in der Mitte des Buches auf Kunstdruckpapier), 13 S/W Abbildungen im Tafelteil, 23,5 cm x 15 cm, Paperbackausgabe