"Andreas Magdanz. Stuttgart Stammheim" im Kunstmuseum Stuttgart

Kunstmuseum Stuttgart Eingangsbereich

 

Anlässlich der Ausstellung „Andreas Magdanz. Stuttgart Stammheim“ fand jetzt im Kunstmuseum Stuttgart ein Gespräch zwischen dem Fotografen und der Journalistin Susanne Kaufmann statt. Dabei war auch die Rede von den immer noch umstrittenen Ereignissen der Nacht vom 17. auf den 18. Oktober 1977. Aber trotz einer für manche wohl provokanten These möchte Magdanz diese Diskussion nicht zum Mittelpunkt seiner Betrachtungen machen.

Und Magdanz nähert sich dem Thema mit seinen Fotografien auch ziemlich nüchtern. Ein Hinweis darauf ist schon die Abbildung eines Grundrisses der JVA Stuttgart Stammheim auf dem Cover des zu diesem Projekt erschienenen Buches. Der Drang einen Ort fotografisch möglichst genau und detailliert zu dokumentieren ist vielleicht noch deutlicher zu spüren als in seinen Arbeiten zuvor. Das erstmals von Magdanz verwendete digitale Großformat lässt ihn auch im Nachhinein Einzelheiten neu entdecken. Der Kern des Projekts besteht gewissermaßen in der Erstellung eines reproduzierbaren Gedächtnisses dieser Räume. Und die Präsentationsformen dieses Projekts führen wohl auch einen Schritt weiter als bisher, nicht nur zur Ausstellung der Bilder im Kunstmuseum Stuttgart oder ihrer Bündelung im Buch. In Zusammenarbeit mit der RWTH-Aachen, wo Magdanz lehrt, wird unter dem Titel „Cave 719“ eine begehbare, räumliche Simulation erlebbar sein. Für Magdanz der Höhepunkt seiner Stammheim-Arbeit.

 

Andreas Magdanz am 16.01.2013 im Kunstmuseum Stuttgart

 

Menschen sind fast nicht zu sehen auf den Bildern, obwohl die Räumlichkeiten der JVA während der Arbeit von Andreas Magdanz durchaus noch genutzt wurden. Aber es geht ihm erklärtermaßen nicht um eine Beschreibung der heutigen Funktion dieser Bauten, sondern um eine zunächst ziemlich kühle Bestandsaufnahme räumlicher Gegebenheiten. Eine Aufgabe, die er in Anbetracht des anstehenden Abrisses der Gebäude für wichtig hält, die angesichts der mehr als eintausend für dieses Projekt enstandenen Aufnahmen jetzt aber auch erschöpfend erledigt sei.

 

Dokumentation der Zelle 719

 

Herzstück des Projekts sind, sowohl in der Ausstellung als auch im Buch, die Bilder aus den Zellen der RAF-Mitglieder, insbesondere die Dokumentation der Zelle 719. Hier wurden die Leichen von Ulrike Meinhof und Andreas Baader entdeckt. Und auch wenn sich dort nach Umbauten nur noch wenige originale Einrichtungen befinden, war dieser Ort für Magdanz der „Dreh- und Angelpunkt“ seiner fotografischen Recherche. Aber seine Annäherung an diesen Ort erfolgt über viele Stufen und ist eingebettet in eine viel weiter gefasste Darstellung des gesamten Geländes der JVA Stuttgart Stammheim: Luftbildaufnahmen aus Hubschraubern (welche, wie die Grundrisse im Buch, einen Überblick über die Gesamtheit der Anlage geben); Blicke aus einer Wohnung in direkter Nachbarschaft auf die JVA; die Dokumentation der Aufenthaltsbereiche im Freien (ob auf dem Dach oder hinter den Mauern).

Man muss Magdanz weder in seiner Beurteilung der Bedeutung des „deutschen Herbstes“ für die Geschichte Deutschlands, noch in seinen Schlussfolgerungen zu den Ereignissen der Todesnacht in Stammheim folgen, um das Projekt wichtig und auch faszinierend zu finden. Die Ausstellung und das Buch stellen beide die Frage, was Bilder wirklich zeigen können. Hat die von Magdanz empfundene "Aufladung" der Räume wirklich etwas mit ihren physischen Eigenschaften zu tun oder spielt sich das nicht viel mehr im eigenen Kopf ab, der das Hintergrundwissen zu den Vorgängen, die sich hier abgespielt haben, mitbringt? Reagiert der Betrachter wirklich auf den Inhalt der gezeigten Bilder oder sind sie nicht viel mehr ein Auslöser zum Abruf von emotional besetzten Erinnerungen?

Für Magdanz ist mit diesem Projekt seine Arbeit mit dem Fokus auf deutschen Themen erst einmal abgeschlossen. In seinem nächsten fotografischen Vorhaben wird er sich wohl mit einem amerikanischen Mythos beschäftigen. Und in gewisser Weise ist er erleichtert, dass die „Schwere“ der bisherigen Arbeiten damit ein wenig in den Hintergrund rückt.

 

Ausstellung und Buch

 

Das im Hatje Cantz Verlag erschienene Buch bietet im Vergleich zur Ausstellung den bei weitem umfassenderen Blick auf das Projekt. Die Fotografien werden ergänzt durch Texte, u.a. von Michael Sontheimer, Christoph Schaden und Andreas Magdanz, die sowohl eine zeitgeschichtliche als auch eine aufs Thema Fotografie bezogene Einordnung und Kommentierung bieten

 

Cover Andreas Magdanz: "Stammheim"  © Hatje Cantz Verlag

 

Aber auch die Ausstellung leistet mit ihren 28 Bildern in sehr unterschiedlichen Formaten (und überraschenderweise auch einer Farbfotografie) einen wichtigen Beitrag zum Einblick in die Arbeit. Und auch hier werden die dokumentierenden Bilder durch weiteres Material ergänzt. Im Anschluss an die in den kleinen Seitenkabinetten des Erdgeschosses des Kunstmuseums gehängten Arbeiten wird in einem offenen Raum ein Video abgespielt, dass die Arbeit von Andreas Magdanz in der JVA zeigt und kommentiert. Dazu lassen sich dort originale Tondokumente aus den 1960er und 1970er Jahren anhören.

 

 


 

 

Fakten:

 

Ausstellung „Andreas Magdanz. Stuttgart Stammheim“ im Kunstmuseum Stuttgart vom 17.11.2012 bis zum 17.03.2013, verlängert bis zum 24.03.2013

Gespräch zwischen Susanne Kaufmann und Andreas Magdanz am 16.01.2013 im Kunstmuseum Stuttgart

Informationen auf der Website des Kunstmuseums Stuttgart unter : http://www.kunstmuseum-stuttgart.de/index.php?site=Ausstellungen;Vorschau_Details&id=67
Dort lässt sich auch der Flyer zur Ausstellung mit Informationen zu zahlreichen begleitenden Veranstaltungen herunterladen.

 

Website des Fotografen: www.andreasmagdanz.de

 

Buch:

 

Andreas Magdanz: „Stammheim“, Stuttgart, 2012

Hatje Cantz

ISBN: 978-3-7757-3457-8

228 Seiten, 90 S/W Abbildungen (+ 9 Pläne mit Grundrissen), 25 cm x 32 cm