Edmund Clark: "TERROR INCOGNITUS"

Edmund Clark, Mannheim 2016
„We will direct every resource at our command, every means of diplomacy, every tool of intelligence, every instrument of law enforcement, every financial influence, and every necessary weapon of war, to the disruption and to the defeat of the global terror network.“, so US-Präsident Bush in seiner Rede vom 20.09.2001. Wie all diese „means“ aussehen, bekommt der (manchmal immer noch erstaunte) Zeitungsleser von Zeit zu Zeit mit, wenn das Thema Guantanamo oder der Einsatz von Drohnen zum Thema werden.
 
Edmund Clark
 
Edmund Clark (*1963) hat bereits 2010 ein Buch über Guantanamo publiziert, erschienen bei Dewi Lewis in London. In der Ausstellung in Mannheim ist diesem Thema speziell aber nur ein kleiner Abschnitt gewidmet. Das übergreifende Thema des staatlichen Handelns im „Krieg gegen den Terror“, den der US-Präsident in seiner oben zitierten Rede erklärte, spielt aber auch für die  anderen Projekte Clarks, die jetzt im Zephyr zu sehen sind, eine entscheidende Rolle. Oft lassen sich nur nach mühsamer Recherche Spuren dieses Handelns dokumentieren. Und die Bilder dafür zu finden, ist ebenfalls eine aufwändige Arbeit.
 
Aus der Serie “Negative Publicity: Artefacts of Extraordinary Rendition”
Raum 11 in einem Hotel in Skopje, Slowenien, in dem Khaled el Masri 23 Tage festgehalten und verhört wurde,
Digitaler C-Print
© Edmund Clark
 
 
Denn was kann man als Fotograf überhaupt zeigen, von dem was da durch Geheimdienste, Militär und Politik oftmals im Verborgenen getrieben wird.  Fotografien, wie diejenigen aus dem Gefängnis Abu-Ghuraib, die konkret einige der verwendeten Foltermethoden zeigen, sind doch eher die Ausnahme. Zum einen kommen die konkreten Tatsachen oft nur scheibchenweise, verspätet und unvollständig ans Licht. Hierfür stehen in der Ausstellung die vielen geschwärzten Stellen in den ausgestellten schriftlichen Dokumenten, welche die Fotografien zusammen mit Videos, Hördateien und Installationen zu einem dichtgewebten Informationstableau ergänzen. Zum anderen begibt sich der Fotograf durch das Zeigen bestimmter Fotografien auf rechtlich schwieriges Gebiet.
 
Aus der Serie “Negative Publicity: Artefacts of Extraordinary Rendition”
Bearbeitetes Bild eines Hauses
Sein Besitzer wurde als einer der Piloten identifiziert, die Auslieferungsflüge durchgeführt haben. Das moderne, große, holzvertäfelte grüne Haus steht an einer ruhigen Straße in einem Wald außerhalb einer Kleinstadt in der amerikanischen Provinz. Das Bild wurde auf Anraten eines Anwalts unkenntlich gemacht, da der Bewohner das Recht auf Privatsphäre und Sicherheit in seinem Heim hat.
Digitaler C-Print, 152,6 x 122,2 cm
© Edmund Clark
 
 
 
Auch in Mannheim sind auf Anraten des Anwalts einige Bilder nur mit gepixelten Bereichen zu sehen, um die Privatsphäre von Personen, die zum Beispiel an Kidnappings und Verschleppungen in Verhör- und Folterzentren beteiligt waren, nicht zu stören. Im Zusammenhang von Clarks Arbeit werden aber auch solche Einschränkungen zu bewußt gestalteten, inszenatorischen Mitteln. Ein in den Fotografien banal erscheinender Raum bekommt seine Bedeutung durch die nebenstehende Zeichnung, die Details zu Folterinstrumenten darlegt, die an diesem Ort genutzt wurden.
 
Wie immer gibt es für jeden Ausstellungsbesucher im Zephyr ein kleines Handbuch, das sowohl als Begleiter in der Ausstellung, als auch zur späteren Nachbetrachtung nützlich ist. Einige Texte darin stammen von Crofton Black. Denn die Ausstellung und das bei Aperture erschienene Buch Clarks zum Thema der „Extraordinary Renditions“, einem weiteren in Mannheim gezeigten Projekt des Fotografen, sind natürlich nicht die Werke eines Einzelgängers. Beim Presserundgang durch die Räume war Crofton Black, der viele der präsentierten Zusammenhänge durch seine Recherchen aufdeckte, ebenfalls zugegen.
 
Crofton Black
 
So ist diese Ausstellung eine Mischung, die sich aus zahlreichen Quellen speist, die ihren ganz unterschiedlichen Charakter nie verleugnen, aber an den Wänden der Ausstellungsräume eine dicht gewebte Gesamtschau ergeben. Im bei Aperture erschienen neuen Buch von Edmund Clark mit dem Titel "Negative Publicity: Artefacts of Extraordinary Renditions" spiegelt sich dieser Materialmix ebenfalls. Schriftliche Dokumente aus Akten werden faksimileartig abgedruckt und kommen dann in Spiralbindung mit den oft auf Ausklappseiten platzierten Fotografien Clarks zusammen. Das hat auch in der Gestaltung etwas von einem Aktenordner und lädt zum Blättern und dem Auffinden von Bezügen und Querverweisen zwischen den unterschiedlichen Materialien ein. Das genaue Studium dieser Unterlagen und Bilder kann einem, selbst wenn man regelmäßig Nachrichten konsumiert, kalte Schauer über den Rücken jagen. Es fällt schwer angesichts der Vorgänge, die hier dokumentiert sind, nicht in Zynismus zu verfallen. Andererseits ist es naiv anzunehmen, dass sich staatliche Akteure erst seit den Terroranschlägen vom September 2001 einen Dreck um die in Sonntagsreden hochgehaltenen, hehren Prinzipien des Rechts kümmern. 
 
Doppelseite aus dem Buch, Courtesy Aperture Foundation
 
 

 

Fakten:
 
 
Ausstellung „Edmund Clarke: TERROR INCOGNITUS“ im Zephyr in Mannheim vom 31.01.2016 bis zum 29.05.2016 / verlängert bis zum 03.07.2016
 
 
Edmund Clark: „Negative Publicity: Artefacts of Extraordinary Rendition“, New York 2016
Aperture
ISBN 978-1597113519
 
Cover: Courtesy Aperture Foundation
 
Informationen zum Buch auf der Website von Aperture
 
 
Informationen zur Ausstellung auf der Website des Zephyrs
 
 
Website des Fotografen Edmund Clark mit Hinweisen auf weitere Publikationen zu den in der Ausstellung gezeigten Projekten
 

 

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